Digital Fatigue
- Kerstin Boll

- 5. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Wenn gute Kommunikation zu viel wird.
Weniger Kanäle, mehr Klarheit: Statt überall präsent zu sein, fokussiert handeln und wieder bewusst entscheiden.
Aktivität ist nicht gleich Wirkung: Sichtbarkeit entsteht durch Orientierung und Vertrauen, nicht durch Frequenz.
Pause als Strategie: Innehalten, reduzieren und das stärken, was wirklich trägt — manchmal wirkt Stopp sagen stärker als Senden.

Kennst du dieses Gefühl, ständig sichtbar sein zu müssen? Und trotzdem das Gefühl zu haben, auf der Stelle zu treten?
LinkedIn, Newsletter, Podcasts, Reels, jetzt auch noch KI-generierte Inhalte … kaum hast du dich an ein Format gewöhnt, kommt schon das nächste dazu.
Wir alle wollten mit digitaler Kommunikation näher an unsere Kund:innen rücken. Doch irgendwo auf dem Weg ist etwas verloren gegangen. Die Leichtigkeit. Das klare Ziel. Und manchmal auch die Freude am Austausch.
Willkommen in der Ära der Digital Fatigue, einer stillen Erschöpfung, die nicht laut ist, aber unterschwellig wirksam. Viele Berater:innen, Coaches und Selbstständige spüren sie inzwischen deutlich.
Digital Fatigue: das stille Zuviel
Digital Fatigue bedeutet: zu viele Reize, zu viele Anforderungen und zu wenig echte Verbindung.
Es ist dieses latente Gefühl, dass du immer etwas tun müsstest: posten, reagieren, nachlegen.
Das Paradoxe ist: Alles, was uns eigentlich entlasten sollte – Tools, Automatisierung, smarte Content-Planer – macht die Lage oft noch komplexer. Wir sind informiert, vernetzt, technisch bestens ausgestattet und gleichzeitig innerlich müde.
Während große Unternehmen von „digitaler Transformation“ sprechen, erlebst du als Selbstständige:r vielleicht einfach: Erschöpfung durch Dauerpräsenz.
Wie Kommunikationsdruck bei Digital Fatigue entsteht
Dieser Druck wächst selten plötzlich. Er kommt leise, in kleinen Dosen.
Ein Post am Montag, ein Newsletter am Mittwoch, ein Podcast am Freitag. Dann ein neuer Social-Trend, der „unbedingt ausprobiert werden muss“.
Und natürlich der Algorithmus, der mit strengem Blick flüstert: „Bleib aktiv, sonst wirst du unsichtbar.“
Dazu der Ton, der sich verschärft: „Wenn du jetzt nicht KI nutzt, verlierst du den Anschluss!“„Ohne Video-Content keine Reichweite!“
Solche Sätze setzen unter Druck. Sie erzeugen das Gefühl, ständig hinterherzulaufen, statt kurz anzuhalten und zu fragen:
Was bringt mich und meine Kund:innen wirklich weiter?
Mehr Aktivität führt nicht automatisch zu mehr Präsenz. Was fehlt, ist Klarheit.
Nimm dir einen Moment, bevor du Neues ausprobierst und dir die Freiheit, aus der Digital Fatigue auszusteigen.
Woran du Digital Fatigue erkennst
Digital Fatigue kündigt sich selten laut an. Sie kommt auf leisen Sohlen, fast unmerklich.
Du scrollst länger, als du willst und fühlst dich trotzdem leer. Du produzierst Inhalte, aber die Freude daran ist weg. Du reagierst, statt zu gestalten.
Manchmal hast du das Gefühl, dein Business lässt dich laufen, statt umgekehrt.
Und irgendwann merkst du, dass du gar nicht mehr entscheidest, was du kommunizierst. Du erfüllst nur noch das Ritual des Postens.
Ständige Präsenz ist kein Erfolgsfaktor. Sie ist oft ein Alarmsignal für Überforderung.
Das Gute: Du kannst den Kreislauf jederzeit unterbrechen, nicht durch noch mehr Effizienz, sondern durch bewusste Reduktion.
Warum „mehr Content“ keine Lösung bei Digital Fatigue ist
In der digitalen Kommunikation hält sich hartnäckig die Idee, dass Sichtbarkeit automatisch Vertrauen schafft. Doch Vertrauen entsteht nicht durch Aktivität, sondern durch Orientierung.
Kund:innen folgen dir nicht, weil du immer etwas sagst. Sondern, weil du etwas zu sagen hast.
Darum ist der entscheidende Schritt zur Entlastung kein neues Tool, kein besserer Plan, keine KI-Abkürzung.
Der erste Schritt ist, zu stoppen. Nachzudenken. Und deinen Kommunikationskompass neu auszurichten:
Welche Botschaft willst du wirklich senden?
Welche Formate tragen dich langfristig, und welche nur kurzfristig?
Wo entsteht echte Resonanz mit deinen Kund:innen, aber auch mit dir selbst?
Wenn du das wieder klar siehst, verändert sich alles. Dann kommunizierst du nicht mehr aus Druck, sondern aus Haltung.
Dieser Perspektivwechsel ist oft der Wendepunkt, weg vom Reagieren, hin zum Gestalten.
Was jetzt hilft: kleine Schritte gegen Digital Fatigue
Wenn du spürst, dass dich digitale Kommunikation eher erschöpft als inspiriert, fang klein an.
Mach dir bewusst, wo du überall sichtbar bist und warum. Manchmal hilft es, das aufzuschreiben. Da steht dann erstaunlich viel drauf. Und plötzlich siehst du, was wirklich trägt und was dich nur beschäftigt.
Erlaube dir Pausen. Du verlierst keine Relevanz, wenn du mal still bist. Im Gegenteil: Du gewinnst Raum, um wieder zu spüren, was du sagen willst.
Schau dir deine Kanäle an. Müssen es wirklich fünf sein? Oder reicht einer, der dich wirklich repräsentiert, mit deiner Stimme, deiner Haltung?
Und dann die vielleicht wichtigste Frage:
Bist du gerade getrieben oder inspiriert?
Denn Digital Fatigue entsteht nicht, weil du zu wenig tust. Sondern, weil du zu selten innehältst.
Wenn du beginnst, Klarheit zu gewinnen, zeigt sich eine zweite, noch spannendere Erkenntnis: Sichtbarkeit allein schafft keine Verbindung, Vertrauen tut es.




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